Zwangsstörungen bei Kindern sind eine psychische Erkrankung, die durch aufdringliche Gedanken (Zwangsgedanken) und sich wiederholende Handlungen (Zwangshandlungen) gekennzeichnet ist. Diese Störungen können das Leben von Kindern erheblich beeinträchtigen, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden.
Was sind Zwangsstörungen?
Zwangsstörungen (Obsessive-Compulsive Disorder, OCD) manifestieren sich durch wiederkehrende Gedanken und Handlungen, die irrational erscheinen, aber für die Betroffenen schwer zu kontrollieren sind. Ähnliche Muster finden sich auch bei Angststörungen oder anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen.
Häufige Formen
- Zwangsgedanken: Wiederkehrende und belastende Gedanken, z. B. Angst vor Verschmutzung oder Angst, jemanden zu verletzen.
- Zwangshandlungen: Wiederholte Handlungen wie Händewaschen, Kontrollieren von Türen oder Zählen.
Ursachen von Zwangsstörungen bei Kindern
Die genauen Ursachen von Zwangsstörungen sind nicht vollständig geklärt, aber verschiedene Faktoren tragen zur Entstehung bei:
Genetische Veranlagung
Kinder mit familiärer Vorbelastung (z. B. Eltern oder Geschwister mit Zwangsstörungen oder anderen psychischen Erkrankungen) haben ein höheres Risiko, selbst betroffen zu sein.
Veränderungen im Gehirn
Forschungen zeigen, dass bei Zwangsstörungen bestimmte Hirnregionen, insbesondere die Basalganglien, und Neurotransmitter wie Serotonin eine Rolle spielen.
Stress oder traumatische Erlebnisse
Belastende Ereignisse, wie der Verlust einer Bezugsperson oder Mobbing, können Zwangsstörungen auslösen oder verschlimmern.
Autoimmune Prozesse
Eine seltene Ursache ist PANDAS (Pediatric Autoimmune Neuropsychiatric Disorders Associated with Streptococcal infections), bei der Zwangsstörungen nach einer Streptokokkeninfektion auftreten können.
Symptome von Zwangsstörungen bei Kindern
Die Symptome von Zwangsstörungen lassen sich in Gedanken und Handlungen unterteilen. Eltern und Lehrkräfte sollten aufmerksam sein, wenn folgende Anzeichen auftreten:
Zwangsgedanken
- Übermäßige Angst vor Schmutz, Keimen oder Krankheiten.
- Zweifel an alltäglichen Handlungen, z. B. ob die Haustür abgeschlossen ist.
- Wiederkehrende Gedanken, anderen zu schaden, ohne die Absicht, dies umzusetzen.
Zwangshandlungen
- Exzessives Händewaschen oder Putzen.
- Wiederholtes Kontrollieren von Gegenständen oder Türen.
- Rituelle Handlungen, z. B. Dinge in einer bestimmten Reihenfolge anordnen.
- Ständiges Wiederholen von Worten, Sätzen oder Zahlen.
Auswirkungen im Alltag
- Zeitintensive Rituale stören den Tagesablauf, z. B. verzögertes Aufstehen oder Schlafengehen.
- Schwierigkeiten in der Schule aufgrund von Konzentrationsproblemen.
- Sozialer Rückzug und Vermeidung von Aktivitäten aus Angst vor Zwangsgedanken.
Unterschied zwischen normalen Verhaltensweisen und Zwangsstörungen
Kriterium | Normales Verhalten | Zwangsstörung |
---|---|---|
Häufigkeit | Gelegentliche Wiederholung, z. B. Händewaschen nach dem Spielen | Exzessive Wiederholungen, z. B. stundenlanges Händewaschen |
Kontrollierbarkeit | Verhalten kann bewusst gesteuert werden | Kind fühlt sich gezwungen, das Verhalten auszuführen |
Dauer | Kurze, altersangemessene Phase | Über Wochen oder Monate anhaltend |
Auswirkungen auf den Alltag | Gering oder keine | Beeinträchtigung in Schule, Freizeit und Familie |
Diagnose von Zwangsstörungen bei Kindern
Die Diagnose wird von Fachpersonen wie Kinderpsychologen, Kinderpsychiatern oder Neurologen gestellt. Eine sorgfältige Diagnostik ist wichtig, um die Symptome zu verstehen und andere Erkrankungen auszuschließen.
Anamnese
- Gespräche mit den Eltern und dem Kind über die Symptome, deren Beginn und Auswirkungen auf den Alltag.
- Erfassung von möglichen Auslösern oder familiären Belastungen.
Fragebögen und Skalen
- Standardisierte Instrumente wie die „Children’s Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (CY-BOCS)“ können die Schwere der Zwangsstörung messen.
Ausschluss anderer Ursachen
- Körperliche Untersuchungen und ggf. Laboruntersuchungen, z. B. zur Abklärung von PANDAS.
- Differenzialdiagnostik: Abgrenzung von anderen psychischen Erkrankungen wie Angststörungen oder ADHS.
Behandlung von Zwangsstörungen bei Kindern
Die Behandlung von Zwangsstörungen zielt darauf ab, die Gedanken und Rituale zu reduzieren und die Lebensqualität des Kindes zu verbessern. Sie umfasst in der Regel eine Kombination aus Verhaltenstherapie, Elternberatung und gegebenenfalls medikamentöser Unterstützung.
Kognitive Verhaltenstherapie (CBT)
- Die CBT ist die wirksamste Therapieform bei Zwangsstörungen.
- Schwerpunkt liegt auf der sogenannten „Exposition mit Reaktionsverhinderung“: Das Kind wird mit der auslösenden Situation konfrontiert, ohne die Zwangshandlung auszuführen.
- Ziel ist es, den Zwangsgedanken ihre Macht zu nehmen.
Familientherapie
- Unterstützung der Eltern im Umgang mit den Zwängen des Kindes.
- Vermittlung von Strategien, um Zwangsverhalten nicht ungewollt zu verstärken.
Medikamentöse Therapie
- In schweren Fällen können selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) verschrieben werden. Diese Medikamente helfen, die Symptome zu reduzieren, sollten jedoch immer unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden.
Schulische Unterstützung
- Zusammenarbeit mit Lehrkräften, um den schulischen Alltag an die Bedürfnisse des Kindes anzupassen.
- Individuelle Förderpläne können helfen, den Druck zu reduzieren.
Tipps für Eltern von Kindern mit Zwangsstörungen
- Geduld zeigen: Zwänge sind schwer zu kontrollieren, ähnlich wie impulsives Verhalten bei ADHS.
- Professionelle Hilfe suchen: Wenden Sie sich frühzeitig an Fachpersonen, um die Symptome zu lindern.
- Nicht drängen: Zwingen Sie Ihr Kind nicht, Zwangshandlungen sofort aufzugeben, da dies die Ängste verstärken kann.
- Rituale nicht verstärken: Ähnlich wie bei Kindern mit Entwicklungsstörungen sollten Eltern nicht ungewollt Teil der Zwänge werden.
- Offen über Gefühle sprechen: Ein unterstützendes und offenes Umfeld kann das Selbstbewusstsein des Kindes stärken.
Fazit
Zwangsstörungen bei Kindern können belastend sein, sind aber mit gezielter Therapie und Unterstützung gut behandelbar. Eine frühzeitige Diagnose, die Zusammenarbeit mit Fachpersonen und ein unterstützendes familiäres Umfeld sind entscheidend, um die Lebensqualität des Kindes zu verbessern. Eltern sollten nicht zögern, bei ersten Anzeichen einer Zwangsstörung Hilfe in Anspruch zu nehmen, ähnlich wie bei Angststörungen oder Kinderpsychiatrie.
Hinweis: Dieser Ratgeber ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Verdacht auf eine Zwangsstörung wenden Sie sich bitte an einen Kinderarzt, Psychologen oder Kinderpsychiater.
Weiterführende Links
- Kinderneurologie-Hilfe e.V.:
Unterstützung und Informationen für Familien mit neurologisch erkrankten Kindern.
www.kinderneurologiehilfe.de - Deutsche Gesellschaft für Zwangserkrankungen (DGZ):
Informationen zu Zwangsstörungen und Therapiemöglichkeiten.
www.zwaenge.de