Bewegungsstörungen bei Kindern sind eine Gruppe von neurologischen Erkrankungen, die sich durch unwillkürliche oder eingeschränkte Bewegungen äußern. Sie können angeboren sein, sich im Laufe der Entwicklung zeigen oder durch andere Erkrankungen entstehen. In diesem Ratgeber erfahren Sie, wie Bewegungsstörungen bei Kindern erkannt, diagnostiziert und behandelt werden können.
Was versteht man unter Bewegungsstörungen?
Bewegungsstörungen umfassen eine Vielzahl von Erkrankungen, die die motorische Steuerung beeinträchtigen. Sie können sich in Form von zu wenig Bewegung (Hypokinese), zu viel Bewegung (Hyperkinesen) oder unkontrollierten, unkoordinierten Bewegungen äußern.
Arten von Bewegungsstörungen
Zu den häufigsten Bewegungsstörungen bei Kindern gehören:
- Tics und Tourette-Syndrom: Wiederholte, unwillkürliche Bewegungen oder Lautäußerungen. Diese Störungen können auch Begleitsymptome von Angststörungen oder ADHS sein.
- Dystonien: Unwillkürliche Muskelkontraktionen, die in schweren Fällen durch Maßnahmen wie die Tiefe Hirnstimulation behandelt werden können. Informationen zu weiteren neurologischen Therapieansätzen finden Sie unter Neuromuskuläre Erkrankungen.
- Chorea: Schnelle, unkontrollierte Bewegungen, die häufig die Extremitäten betreffen. Diese Erkrankung kann im Zusammenhang mit Stoffwechsel- oder genetischen Störungen stehen, wie auf unserer Seite zu neurodegenerativen Erkrankungen beschrieben.
- Tremor: Rhythmisches Zittern, oft der Hände oder Arme.
- Parkinsonismus: Bewegungsverlangsamung und Muskelsteifigkeit, selten bei Kindern.
Ursachen von Bewegungsstörungen bei Kindern
Die Ursachen für Bewegungsstörungen bei Kindern sind vielfältig und können genetisch, erworben oder unbekannt sein. Hier sind die häufigsten Kategorien:
Genetische Ursachen
- Erbliche Erkrankungen: Einige Bewegungsstörungen, wie Chorea Huntington oder bestimmte Dystonien, sind genetisch bedingt.
- Stoffwechselerkrankungen: Erkrankungen wie die Wilson-Krankheit oder die Phenylketonurie können Bewegungsstörungen verursachen.
Erworbene Ursachen
- Infektionen: Gehirnentzündungen (Enzephalitis) oder Infektionen während der Schwangerschaft können Bewegungsstörungen auslösen.
- Geburtskomplikationen: Sauerstoffmangel bei der Geburt oder Hirnblutungen können bleibende motorische Schäden verursachen.
Medikamente und Toxine
- Langfristige Einnahme bestimmter Medikamente, z. B. Neuroleptika, kann Bewegungsstörungen wie Tardive Dyskinesien verursachen.
Langfristige Einnahme von Neuroleptika kann Bewegungsstörungen wie Tardive Dyskinesien auslösen. Weitere Details zu psychischen Begleiterscheinungen finden Sie unter Kinderpsychiatrie.
Unklare Ursachen
In einigen Fällen bleibt die genaue Ursache unbekannt. Dies ist häufig bei idiopathischen Tics oder Dystonien der Fall.
Symptome von Bewegungsstörungen bei Kindern
Die Symptome hängen von der Art der Bewegungsstörung ab und können sehr unterschiedlich sein:
Tics
- Plötzliche, wiederholte Bewegungen (z. B. Augenblinzeln, Kopfzucken) oder Geräusche (z. B. Räuspern, Grunzen).
- Tics können vorübergehend oder chronisch sein.
Dystonien
- Unwillkürliche Muskelkontraktionen führen zu verdrehten Bewegungen oder abnormalen Haltungen.
- Die Symptome können an bestimmten Körperregionen oder generalisiert auftreten.
Chorea
- Unkoordinierte, plötzliche Bewegungen, die unvorhersehbar auftreten und meist die Arme, Beine oder das Gesicht betreffen.
Tremor
- Regelmäßiges Zittern, das bei bestimmten Aktivitäten (z. B. Schreiben) oder in Ruhe auftreten kann.
Bewegungsverlangsamung
- Schwierigkeiten, Bewegungen zu initiieren oder auszuführen (z. B. bei Parkinsonismus).
Diagnose von Bewegungsstörungen
Eine frühzeitige und genaue Diagnose ist entscheidend, um die Ursache der Bewegungsstörung zu identifizieren und die richtige Therapie einzuleiten.
Anamnese
Das Gespräch mit Eltern und dem betroffenen Kind liefert wichtige Informationen über den Beginn, die Art und die Häufigkeit der Bewegungsstörungen.
Körperliche und neurologische Untersuchung
Der Arzt prüft die motorischen Fähigkeiten, Muskelkraft, Reflexe und Koordination des Kindes.
Bildgebung
- MRT oder CT: Zeigt strukturelle Veränderungen im Gehirn, die Bewegungsstörungen verursachen können.
MRT oder CT können helfen, strukturelle Ursachen aufzudecken, ähnlich wie bei der Untersuchung von Epilepsie.
Laboruntersuchungen
- Bluttests und Urinanalysen können Stoffwechsel- oder genetische Ursachen identifizieren.
Genetische Tests
- Bei Verdacht auf erblich bedingte Bewegungsstörungen können spezifische Gentests sinnvoll sein.
Behandlung von Bewegungsstörungen bei Kindern
Die Behandlung hängt von der Art der Bewegungsstörung und ihrer Ursache ab. Sie kann symptomatisch oder ursachenorientiert sein.
Medikamentöse Therapie
- Tics und Tourette: Medikamente wie Clonidin oder Neuroleptika können die Symptome lindern.
- Dystonien: Botulinumtoxin-Injektionen oder orale Medikamente wie Anticholinergika helfen, die Muskelkontraktionen zu reduzieren.
- Chorea: Medikamente wie Tetrabenazin oder Dopaminantagonisten können unkontrollierte Bewegungen verringern.
Physiotherapie und Ergotherapie
- Förderung der motorischen Fähigkeiten und Verbesserung der Bewegungskoordination.
- Vorbeugung von Kontrakturen und Unterstützung bei alltäglichen Aktivitäten.
Psychologische Unterstützung
- Kinder mit chronischen Bewegungsstörungen benötigen oft psychologische Hilfe, um mit den sozialen und emotionalen Auswirkungen der Erkrankung umzugehen.
Chirurgische Eingriffe
- In seltenen Fällen, z. B. bei schweren Dystonien, kann eine Tiefe Hirnstimulation (THS) erwogen werden.
Tipps für Eltern von Kindern mit Bewegungsstörungen
- Suchen Sie frühzeitig ärztliche Hilfe: Je früher die Diagnose gestellt wird, desto besser können Sie die Symptome kontrollieren.
- Fördern Sie die Fähigkeiten Ihres Kindes: Unterstützen Sie es bei der Entwicklung motorischer Fähigkeiten, aber überfordern Sie es nicht.
- Erklären Sie die Erkrankung: Kinder sollten altersgerecht über ihre Erkrankung informiert werden, um Ängste zu reduzieren.
- Kooperation mit Schulen: Besprechen Sie die Situation mit Lehrkräften, um passende Unterstützung im Schulalltag zu gewährleisten.
Unterschiede zwischen häufigen Bewegungsstörungen
Merkmal | Tics | Dystonie | Chorea |
---|---|---|---|
Charakter | Wiederholte Bewegungen oder Geräusche | Unwillkürliche Muskelkontraktionen | Schnelle, unkontrollierte Bewegungen |
Ort | Kopf, Gesicht, Arme | Einzelne Körperteile oder generalisiert | Extremitäten, Gesicht |
Beginn | Häufig in der Kindheit | Kann angeboren oder später auftreten | Kann akut auftreten |
Behandlung | Medikamente, Verhaltenstherapie | Botulinumtoxin, Medikamente | Medikamente |
Fazit
Bewegungsstörungen bei Kindern sind vielfältig und erfordern eine gründliche Diagnostik sowie eine individuell angepasste Therapie. Mit der richtigen Unterstützung können die meisten Kinder ein erfülltes Leben führen. Eltern spielen dabei eine zentrale Rolle und sollten nicht zögern, bei Auffälligkeiten ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Hinweis: Dieser Ratgeber ersetzt keine ärztliche Beratung. Bei Verdacht auf eine Bewegungsstörung sollten Sie eine Fachärztin oder einen Facharzt für Kinderneurologie konsultieren.
Weiterführende Links
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN):
Fachinformationen über Bewegungsstörungen und Therapiemöglichkeiten.
www.dgn.org - Tourette-Gesellschaft Deutschland e.V.:
Unterstützung für Kinder mit Tics und Tourette-Syndrom.
www.tourette.de - Kinderneurologie-Hilfe e.V.:
Unterstützung für Familien mit neurologisch erkrankten Kindern.
www.kinderneurologiehilfe.de