Angst ist ein natürlicher Teil der kindlichen Entwicklung und hilft Kindern, Gefahren zu erkennen und sich zu schützen. Doch manchmal wird Angst so stark, dass sie den Alltag des Kindes erheblich beeinträchtigt. Hier erfahren Sie, wie Sie Angststörungen bei Kindern erkennen, welche Ursachen sie haben können und welche Hilfsmöglichkeiten es gibt.
Was ist eine Angststörung?
Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Sie gehen über normale, altersgerechte Ängste hinaus und sind durch übermäßige, langanhaltende Angstreaktionen gekennzeichnet. Diese Ängste treten oft ohne reale Bedrohung auf und können das Kind stark belasten. Angststörungen gehen oft mit anderen psychischen Erkrankungen wie ADHS oder Depressionen einher. Eine genaue Abklärung durch Fachpersonen ist daher entscheidend.
Normale Ängste vs. Angststörungen
Nicht jede Angst ist eine Angststörung. Um zu beurteilen, ob es sich um eine behandlungsbedürftige Problematik handelt, sollten folgende Faktoren berücksichtigt werden:
Kriterium | Normale Ängste | Angststörung |
---|---|---|
Dauer | Kurzfristig und situationsabhängig | Anhaltend, über Wochen oder Monate |
Alter | Altersentsprechend (z. B. Trennungsangst bei Kleinkindern) | Ungewöhnlich für das Alter des Kindes |
Beeinträchtigung | Geringe Auswirkungen auf den Alltag | Starke Einschränkungen im Alltag, z. B. in der Schule oder Freizeit |
Bewältigung | Kind kann Ängste mit Unterstützung bewältigen | Kind ist nicht in der Lage, Angst zu kontrollieren |
Arten von Angststörungen bei Kindern
Es gibt verschiedene Formen von Angststörungen, die bei Kindern auftreten können. Die häufigsten sind:
Trennungsangststörung
Kinder mit Trennungsangst haben eine übermäßige Angst, von ihren Eltern oder Bezugspersonen getrennt zu sein. Sie fürchten, dass diesen etwas zustoßen könnte oder dass sie selbst allein nicht zurechtkommen.
- Symptome: Weinen, Klagen über körperliche Beschwerden (z. B. Bauchschmerzen), Vermeidung von Trennungen (z. B. Schulbesuch).
- Häufigkeit: Besonders häufig im Vorschulalter oder frühen Grundschulalter.
Generalisierte Angststörung
Kinder mit generalisierter Angststörung machen sich übermäßig viele Sorgen, z. B. um Schule, Freundschaften, Gesundheit oder die Familie. Ängste können durch begleitende Faktoren wie Kopfschmerzen und Migräne verstärkt werden.
- Symptome: Anhaltende Sorgen, Schlafprobleme, körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, innere Unruhe.
- Häufigkeit: Kann in jedem Alter auftreten, oft ab dem Grundschulalter.
Soziale Angststörung
Kinder mit sozialer Angststörung haben eine starke Furcht vor sozialen Situationen oder der Bewertung durch andere Menschen. Sie meiden z. B. das Sprechen vor der Klasse oder Gruppenaktivitäten.
- Symptome: Vermeidung sozialer Kontakte, Erröten, Zittern, Rückzug.
- Häufigkeit: Häufig im Jugendalter, manchmal schon ab der Grundschule.
Spezifische Phobien
Bei spezifischen Phobien haben Kinder eine übermäßige Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen, z. B. vor Tieren, Dunkelheit oder Höhen.
- Symptome: Panikattacken, starkes Vermeidungsverhalten.
- Häufigkeit: Treten oft schon im frühen Kindesalter auf.
Ursachen von Angststörungen
Die Entwicklung einer Angststörung wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst:
Genetische Veranlagung
Kinder von Eltern mit Angststörungen haben ein höheres Risiko, selbst Ängste zu entwickeln. Dies deutet auf eine genetische Komponente hin.
Erziehungsstil
Ein überbehütender oder überkontrollierender Erziehungsstil kann die Entstehung von Ängsten fördern, da das Kind weniger Gelegenheit hat, selbstständig mit Herausforderungen umzugehen.
Überbehütung kann die Entwicklung von Ängsten fördern. Mehr Informationen über den Einfluss der Familie auf die kindliche Psyche finden Sie unter Kinderpsychiatrie.
Stress oder belastende Erlebnisse
Traumatische Erfahrungen wie Unfälle, Trennung der Eltern oder der Verlust einer geliebten Person können Angststörungen auslösen. Diese können auch in Kombination mit Zwangsstörungen auftreten, die oft ähnliche Mechanismen aufweisen.
Individuelle Temperamente
Kinder, die von Natur aus schüchtern oder zurückhaltend sind, sind anfälliger für die Entwicklung von Ängsten.
Wie erkennt man eine Angststörung bei Kindern?
Eltern und Lehrkräfte spielen eine wichtige Rolle bei der Erkennung von Angststörungen. Die folgenden Symptome können auf eine behandlungsbedürftige Angst hinweisen:
- Verhaltensveränderungen: Das Kind zieht sich zurück, vermeidet Situationen oder zeigt ungewöhnlich starkes Weinen und Klagen.
- Körperliche Beschwerden: Häufige Bauchschmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen oder Schlafprobleme.
- Leistungsprobleme: Schwierigkeiten in der Schule, z. B. durch Konzentrationsmangel oder Vermeidung von Prüfungen.
- Emotionale Anzeichen: Übermäßige Sorgen, ständige Nervosität, ausgeprägte Unsicherheit.
Ein Hinweis auf eine Angststörung kann sein, wenn sich das Kind stark zurückzieht oder Verhaltensauffälligkeiten zeigt, wie sie auch bei neuromuskulären Erkrankungen beobachtet werden können.
Behandlungsmöglichkeiten bei Angststörungen
Eine Angststörung sollte frühzeitig erkannt und behandelt werden, um zu verhindern, dass sich die Probleme verschlimmern. Es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten:
Psychotherapie
- Verhaltenstherapie: Die kognitive Verhaltenstherapie ist die effektivste Methode. Dabei lernt das Kind, negative Gedanken zu hinterfragen und schrittweise angstauslösende Situationen zu bewältigen.
- Spieltherapie: Für jüngere Kinder kann die Spieltherapie hilfreich sein, um Ängste spielerisch zu verarbeiten.
Familienberatung
Eltern spielen eine wichtige Rolle in der Bewältigung von Ängsten. Familienberatung hilft dabei, den Umgang mit der Angst zu verbessern und die Beziehung zwischen Eltern und Kind zu stärken.
Medikamentöse Behandlung
In schweren Fällen können Medikamente (z. B. Antidepressiva) eingesetzt werden. Dies wird jedoch nur in Kombination mit einer Psychotherapie empfohlen und von einem Facharzt sorgfältig überwacht.
Tipps für Eltern: So unterstützen Sie Ihr Kind
Eltern können viel tun, um ihrem Kind zu helfen. Hier sind einige praktische Ratschläge:
- Ernst nehmen: Hören Sie dem Kind zu und nehmen Sie seine Ängste ernst. Sätze wie „Das ist doch nichts, wovor man Angst haben muss“ können das Kind entmutigen.
- Ermutigen, nicht drängen: Ermutigen Sie Ihr Kind, sich angstauslösenden Situationen zu stellen, aber vermeiden Sie Druck.
- Struktur schaffen: Klare Tagesabläufe und feste Rituale geben dem Kind Sicherheit.
- Vorbild sein: Zeigen Sie Ihrem Kind, wie Sie selbst mit Ängsten umgehen. Kinder lernen durch Beobachtung.
- Ängste können sich auf andere Lebensbereiche auswirken. Häufig leiden Kinder mit Angststörungen auch unter Schlafstörungen oder entwickeln Symptome, die an Essstörungen erinnern. Eine ganzheitliche Betrachtung ist wichtig.
Wann sollten Sie professionelle Hilfe suchen?
Es ist wichtig, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wenn:
- die Angst länger als sechs Wochen anhält.
- die Angst das Leben des Kindes stark beeinträchtigt (z. B. Vermeidung der Schule).
- die Familie durch die Situation überlastet ist.
Wenn Angststörungen zusammen mit neurologischen Auffälligkeiten auftreten, kann eine umfassende Diagnostik durch Fachärzte der Kinderneurologie sinnvoll sein.
Fazit
Angststörungen bei Kindern sind eine ernstzunehmende Problematik, die das Leben der Betroffenen und ihrer Familien erheblich belasten kann. Mit der richtigen Unterstützung, z. B. durch eine Verhaltenstherapie, können die meisten Kinder jedoch lernen, ihre Ängste zu bewältigen und ein unbeschwertes Leben zu führen.
Hinweis: Dieser Ratgeber ersetzt keine medizinische Beratung. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind an einer Angststörung leidet, wenden Sie sich an Ihre Kinderärztin, eine Kinderpsychologin oder einen spezialisierten Facharzt.
Weiterführende Links
- Deutsche Angst-Hilfe e.V.:
Unterstützung und Informationen zu Angststörungen für Betroffene und ihre Familien.
www.angstselbsthilfe.de - Therapieplatzsuche der Kassenärztlichen Bundesvereinigung:
Finden Sie Psychotherapeut*innen in Ihrer Nähe, die auf Kinder und Jugendliche spezialisiert sind.
www.kbv.de/